Wahrnehmungsstörungen -Sensorische Integration


 

Taktile Defensivität (Überempfindlichkeit auf taktile Reize)

Taktile Intoleranz

 

Royeen et al definieren „taktile Defensivität“ folgender maßen:

Unter taktiler Defensivität versteht man negative und abwehrende Reaktionen auf bestimmte taktile Stimuli, die von den meisten Menschen als „unschädlich“ (nicht schmerzhaft) empfunden werden.

Lit.: Royeen Lane in Fisher, Murray, Bundy, Sensorische Integrationstherapie, Theorie und Praxis, 1998

 

Mit anderen Worten:

        Es geht um die Unfähigkeit die emotionale (eher als perzeptive) Bedeutung von Berührungen oder Berührungsempfindungen in einem bestimmten Kontext richtig und für den Organismus sinnvoll umsetzbar zu interpretieren (A.J. Ayres, persönliche Mitteilung, 17.03.1988).

 

Taktile Defensivität ist als ein Teil einer generellen sensorischen Defensivität bzw. als eine Schwierigkeit der Modulation von Sinneseindrücken anzusehen. In der Praxis zeigen Kinder mit Abwehrverhalten gegenüber taktilen Sinneseindrücken, häufig auch eine Überempfindlichkeit gegenüber auditiven und/oder gustatorischen Reize.

 

Kennzeichen

       Vermeiden von Berührungen

       Abwehrreaktionen auf Berührungen

       Atypische emotionale Reaktionen auf taktile Reize

 

Beobachtungen im Alltag des Kindes

       Die Kinder haben eine Abneigung gegen bestimmte Materialien

       Die Körperpflege macht Schwierigkeiten

       Sie zeigen eine Abneigung gegen bestimmte Kleidungsstücke

       Sie haben Mühe bei körperlichen Berührungen

      

 

Taktil/propriozeptive Diskriminationsstörung

 

„Unter einem eingeschränkten taktilen Diskriminationsvermögen versteht man die Unfähigkeit, „zeitliche und räumliche Eigenschaften taktiler Sinneseindrücke zu erkennen“. (Ayres, persönliche Mitteilung 17.3.1988)

Es geht dabei um die Unfähigkeit, einen diskriminativen Berührungsinput optimal wahrzunehmen und sinnvoll umzusetzen.

 

Der Begriff taktile Empfindung bezieht sich auf das Wahrnehmen der Stelle, an der ein externer Reiz auftrifft (registrieren, lokalisieren).

Die Propriozeption befähigt uns, die räumliche Orientierung unseres Körpers oder einzelner Körperteile sowie die Geschwindigkeit und den Ablauf unserer Bewegungen zu kontrollieren. Zudem ermöglicht sie uns zu überprüfen, wie viel Kraft unsere Muskeln aufwenden und in welchem Masse und mit welcher Geschwindigkeit ein Muskel gedehnt wird (Kalaska 1988).

 

Taktile Empfindungen liefern einem Individuum Informationen über das äußere Umfeld. Das Individuum nimmt diese Informationen häufig auf, während es seinen Körper oder seine Gelenke innerhalb dieser externen Umgebung bewegt (Fisher, 1998) - „Stereognosie“.

 

Beobachtungen im Alltag des Kindes

  • Spüren Schmutz an den Fingern nicht
  •  Bemerken den herauslaufenden Speichel oder Essensreste um den Mund nicht
  • Spüren die eigenen Körpergrenzen nur ungenügend, stoßen sich und rempeln andere, …
  • Die Kinder berühren ständig irgendwelche Gegenstände oder nehmen diese in die Hand
  • Mühe bei Fühlspielen mit den Händen

 

Schwerkraftunsicherheit / Bewegungsintoleranz  - (Überempfindlichkeit auf vestibuläre Reize)

Das bewegungsarme/vermeidende Kind

 

In der Sensorischen Integrationstherapie wird dieses Störungsbild von Fisher (1998) als Modulationsstörung definiert:

Es wird zwischen Schwerkraftunsicherheit (Gravitational Insecurity - GI) und Bewegungsintoleranz (Intolerance of Movement) unterschieden.

 

Schwerkraftunsicherheit

Ist ein Modulationsproblem, das vor allem Informationen der Makulaorgane (Sacculus und Utrikulus) betrifft; sog. lineare Reize

         Schwerkraftunsicherheit äußert sich in emotionalen Reaktionen oder Angstreaktionen, die in keinem Verhältnis zur Bedrohung oder Gefahr stehen, die von vestibulären Reizen oder bestimmten Positionen des Körpers im Raum ausgeht; z.B.: Körperpositionen, bei denen die Füße keinen Kontakt zum Boden haben oder Angst vor geringer Höhe.

 

Bewegungsintoleranz

Ist ein Modulationsproblem, das vor allem Informationen der Bogengänge betrifft

Drehbewegungen

         Bewegungsintoleranz tritt häufig aber nicht immer gemeinsam mit Schwerkraftunsicherheit auf.

 

Diese Personengruppe reagiert überempfindlich auf vestibuläre Stimulationen.

Kinder mit Schwerkraftunsicherheit und Bewegungsintoleranz sind sich ihrer Situation bewusst und reagieren mit Ausweichverhalten, bzw. verweigern Aktivitäten, die vestibuläre Reize beinhalten.

Sie haben besondere Mühe, auf Fremdreize zu reagieren, z. B. wenn die Lehrerin von hinten kommend, ihren Stuhl an den Tisch schiebt.

Diese Kinder sind vor allem bemüht, den Kopf und Rumpf zu stabilisieren, um den Einstrom von vestibulären Reizen zu reduzieren.So haben sie große Mühe, wenn der Kopf aus der aufrechten Position nach hinten bewegt werden soll.

Vegetative Reaktionen können nach geringer Gleichgewichtsstimulation auftreten.

 

 

Vestibulär/propriozeptiver Reizsucher

Das bewegungsfreudige Kind

 

Dieses Störungsbild betrifft das vestibuläre und propriozeptive System.

 

Fisher et al postulierten dies „… ist es uns mit Hilfe der derzeitigen klinischen Beurteilungsverfahren nicht möglich festzustellen, ob die Defizite, die wir an Patienten mit sensorisch-integrativen Dysfunktionen beobachten, mit vestibulären oder mit propriozepitven Verarbeitungsdefiziten oder gar mit beiden Arten von Störungen im Zusammenhang stehen. Deshalb sind wir bei der Beurteilung von Patienten nicht in der Lage, eindeutig zwischen der Funktionsweise des vestibulären System und der Propriozeption zu differenzieren.“

Literatur: Sensorische Integrationstherapie, Theorie und Praxis, Fisher A., Murray E.A., Bundy A.C., 1998

 

Roley et al beschreiben dieses Störungsbild mit „Propriozeptiver Reizsuche“.

„Kinder, die Propriozeption aktiv suchen, beschäftigen sich oft überaktiv mit Verhaltensweisen, die intensive propriozepitve Eindrücke vermitteln.

Die klinische Interpretation dieses Verhaltens geht dahin, dass die Kinder damit versuchen, sich propriozeptive Reize zu verschaffen, um ihr Erregungsniveau und ihre Empfindlichkeit für Reize aus andern Sinnesmodalitäten, primär aus dem taktilen und vestibulären System, zu modulieren.

Literatur: Sensorische Integration, Praxiswissen, Smith Roley S., Blanche E.I., Schaaf R.C., 2004, S. 122 zitiert Kranowitz 1998, Koomar et al. 1998

 

Folgende Verhaltensweisen sind im Alltag sichtbar:

  •  Die Kinder sind ständig in Bewegung – wirken hyperaktiv
  • Sie sind sich ihres eigenen Körpers- bzw. Körperzustandes nicht bewusst. Wirken waghalsig.
  • Sie suchen zum Teil extreme propriozeptive aber auch vestibuläre Stimulationen.
  • Sie sind bei Bewegung im Raum, die vestibuläre Reize einschließt, schnell überstimuliert. Ihre motorischen Anpassungsleistungen sind dann inadäquat. Sie stolpern, stürzen, wirken insgesamt tollpatschig und ungeschickt.
  • Sie bewegen sich viel. Werden ihre Bewegungen analysiert, so zeigen sich häufig einfache Bewegungsmuster, die schnell repetiert werden.
  • Sie haben häufig Mühe sich gegen die Schwerkraft auszurichten. Sie fallen von einer Position in die andere anstatt den Positionswechsel kontrolliert auszuführen.
  • Sie zeigen mangelhafte Stell- und Gleichgewichtsreaktionen. Einige der Kinder zeigen in „ruhigeren“ Ausgangspositionen, wie z. B. Arbeiten am Tisch, bessere motorische Anpassungsleistungen.

 

 

Vestibulär propriozeptive Diskriminationsstörung

Das bewegungsarme Kind

 

Dieses Störungsbild betrifft das vestibuläre und propriozeptive System. 

 

Fisher et al postulierten dies „… ist es uns mit Hilfe der derzeitigen klinischen Beurteilungsverfahren nicht möglich festzustellen, ob die Defizite, die wir an Patienten mit sensorisch-integrativen Dysfunktionen beobachten, mit vestibulären oder mit propriozepitven Verarbeitungsdefiziten oder gar mit beiden Arten von Störungen im Zusammenhang stehen. Deshalb sind wir bei der Beurteilung von Patienten nicht in der Lage, eindeutig zwischen der Funktionsweise des vestibulären System und der Propriozeption zu differenzieren.“

Literatur: Sensorische Integrationstherapie, Theorie und Praxis, Fisher A., Murray E.A., Bundy A.C., 1998

 

Folgende Verhaltensweisen sind im Alltag sichtbar:

 

  • Die Kinder bewegen sich meist nicht gerne
  • Sie suchen bei statischen Positionen viel Unterstützungsfläche (Kopf abstützen, rasch hinlegen, …)
  • Sie wirken schwerfällig, ungelenk und Bewegung macht ihnen offensichtlich Mühe
  • Die Kinder fallen von einer Position in die andere anstatt den Positionswechsel kontrolliert auszuführen
  • Die Kinder zeigen mangelhafte Stell- und Gleichgewichtsreaktionen 
  • Auffällig sind manchmal schnelle vegetative Reaktionen, die nicht unbedingt zu dem motorischen Aufwand passen

 

Quellenliteratur

  • Fisher A.G. / Murray E.A. / Bundy A.C.1998:Sensorische Integrationstherapie – Theorie und Praxis. Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York
  •  Smith Roley S. / Blanche E.I. / Schaaf R. C. 2004: Sensorische Integration – Grundlagen und Therapie bei Entwicklungsstörungen – Praxiswissen. Springer- Verlag Berlin Heidelberg New York
  •  Bundy / Lane / Murray 2007: Sensorische Integrationstherapie – Theorie und Praxis, 3. Auflage. Springer Medizin Verlag Heidelberg

 

c Pfiffikus Therapiehaus

Dr. Fridrich A.

 


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